Jahresbericht 2018 ⁄ 19

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Hellmut Krug erklärt den VAR

Schwerpunkt VAR

VAR-Schulterblick mit Alain Bieri

Alain Bieri (Jg. 1979) gehört zu den erfahrensten Schiedsrichtern der Schweiz. Er leitete bisher über 350 Partien im Schweizer Profifussball sowie über 50 internationale Begegnungen in europäischen Wettbewerben und in ausländischen Ligen. Bieri ist seit 2011 FIFA-Schiedsrichter und von Beruf HR-Verantwortlicher.

 

Im August 2008 gab Alain Bieri sein Debüt als Schiedsrichter in der Raiffeisen Super League (RSL). Elf Jahre später lernt er als Video Assistant Referee (VAR) seinen Job als Unparteiischer von einer ganz neuen Seite kennen. Ein Besuch im Video Operation Room in Volketswil anlässlich der 6. Runde der RSL am 1. September 2019.

«Luki, Goal korrekt» — währenddem die Spieler noch jubeln, erhält Schiedsrichter Lukas Fähndrich im St. Jakob-Park per Funkspruch die Bestätigung, dass dem 1:0-Führungstreffer des FC Basel gegen den FC Lugano kein Makel anhaftete. Die Stimme in Fähndrichs Ohr ist die des Video Assistant Referees (VAR) dieser Partie, Alain Bieri. Er sitzt zusammen mit Assistent (AVAR) Stefan Horisberger und Replay Operator (RO) Matthias Hanutko im Video Operation Room (VOR) in Volketswil und unterstützt vor den Bildschirmen das Gespann auf dem Feld. Für Alain Bieri ist es der zweite Einsatz als VAR in der RSL. Seine Ernstkampf-Premiere erlebte er beim Spiel FC Thun gegen den FC Basel (Endstand 2:3) am 3. August 2019. Als sehr ruhig hat er die Partie in Erinnerung. Mit wenigen Szenen, die er als VAR zu überprüfen hatte.

«Hoffen wir, dass es auch heute ruhig bleibt», wünscht sich der 40-jährige Berner vor dem heutigen Match in Basel. Nervosität ist bei ihm keine zu spüren. Die lange Übungsund Vorbereitungsphase, in der die VAR-Teams ausgebildet wurden, scheint bereits eine gewisse Routine hinterlassen zu haben.

 

 

RESULTATE DURCH KOMMUNIKATION

Zwei Stunden vor dem Anpfiff beginnt sein VAR-Einsatz in Volketswil mit dem Briefing durch die Supervisoren Cyril Zimmermann und Hellmut Krug. Mit am Tisch sitzen die anderen VAR-Teams dieser drei Sonntagsspiele. Einleitend wirft Zimmermann, Elite Referee Manager beim Schweizerischen Fussballverband (SFV), einen Blick zurück auf den gestrigen Tag, als die VAR dank guten Leistungen der Schiedsrichter auf dem Feld einen ruhigen Abend verbrachten. Danach erinnert er anhand einer ausgewählten Szene an die neue Regel, nach welcher der Torwart beim Elfmeter mit einem Fuss auf der Linie stehen muss, bis der Ball abgegeben ist. «Ihr wisst selbst, dass man dies auf dem Feld praktisch nicht erkennen kann. Das kann nur der VAR sehen», lautet seine Aufforderung bei Penaltyszenen achtsam zu sein. Der ehemalige deutsche Spitzenschiedsrichter Hellmut Krug ruft zum Ende der Vorbesprechung das zentrale Erfolgskriterium für das neuzeitliche Schiedsrichtergespann in Erinnerung: «Gute Resultate dank guter Kommunikation!»

 

Die VAR-Teams beim «Warmup» mit Testclips aus früheren Partien.

Bereits am Vormittag startete der Austausch zwischen VAR Alain Bieri und Schiedsrichter Lukas Fähndrich. Telefonisch besprachen sie die Zusammenarbeit für die bevorstehende Partie. «Lukas ist es wichtig, dass er von mir eine Antwort erhält, wenn er eine Frage zum Geschehen hat. Ansonsten wünscht er sich nur die wichtigsten Informationen, die ‚Hard Facts‘.» Für ihn passe das: «Er soll sagen, wie er es gerne haben möchte. Der Schiedsrichter bleibt der Chef.»

«Der Schiedsrichter
bleibt der Chef.»

Auch innerhalb des heutigen VAR-Teams gilt es sich abzusprechen, insbesondere die Aufgabenteilung zwischen VAR und AVAR. «Ich verfolge das Geschehen am Ball, mein Assistent das Geschehen rundherum», erklärt Alain Bieri. «Man kann auf dem Platz nicht alles sehen, und man kann auch auf dem Bildschirm nicht alles sehen. Deshalb ist die Absprache untereinander so wichtig.»

 

Auf den Bildschirmen verfolgt Alain Bieri mit seinem Team die Partie in Basel und prüft strittige Situationen anhand von Wiederholungen sowie verschiedenen Kameraperspektiven.

MEHR ALS EINE CHANCE

Rund 90 Minuten vor Spielbeginn und nach erfolgter Verbindungskontrolle mit Lukas Fähndrich in Basel wärmen sich die VAR-Teams auf — nicht mit einem Sprint ums Haus, sondern mit Übungsszenen aus früheren Partien. Heute Situationen aus Spielen der Serie A in Italien. Alain Bieri bestreitet mit AVAR Horisberger und RO Hanutko als erste Crew das Warm-up. Auf den Bildschirmen verfolgen sie, wie ein Tor fällt, wobei der Ball zuvor im Aus gewesen sein könnte. Bieri fordert Hanutko dazu auf, ihm Bilder zu liefern, die zeigen, ob der Ball im Aus war oder nicht. Verschiedene Kameraeinstellungen werden ausprobiert — und schliesslich per Bildvergrösserung das Verdikt gefällt: Der Ball war im Aus. Das Tor müsste annulliert werden. Rund 30 Sekunden braucht das VAR-Gespann, um zu einem Urteil zu gelangen. Zeit, in welcher das Spiel nicht wieder angepfiffen werden kann. Mit dem Druck weiss Bieri umzugehen: «Im Leben als Schiedsrichter kennen wir den Druck sehr gut, von daher ist es nichts Neues.» Trotzdem sei die Situation etwas herausfordernder als auf dem Feld:

«Auf dem Feld ist es einfacher einen Fehler einzugestehen.»

«Als Schiedsrichter ist es einfacher einen Fehler einzugestehen, weil man schlicht nur eine Chance erhält. Als VAR stehen verschiedene Perspektiven und mehrere Anläufe zur Verfügung, um eine knifflige Situation richtig zu beurteilen.»

 

 

ROTE KARTE?

Zwischen Warm-up und Kick-off nutzen Bieri und sein Team die Zeit, um sich zu entspannen und sich auszutauschen. «90 Minuten lang hochkonzentriert in einen Bildschirm zu schauen, ist mental anstrengend. Vor allem, wenn es über einen längeren Zeitraum hinweg zu keiner strittigen Szene kommt. Man muss wach und aufmerksam bleiben, denn es kann jederzeit etwas passieren», so Bieri.

15 Minuten bevor Lukas Fähndrich in Basel die Partie eröffnet, nehmen Bieri, Horisberger und Hanutko vor den Bildschirmen an ihrer Station im VOR Platz. Ein kurzer Funkspruch nach Basel, um Bereitschaft zu signalisieren, und dann ertönt der Anpfiff. Schon vier Minuten später muss der VAR erstmals in Aktion treten: Basels Kevin Bua wird kurz vor der Strafraumgrenze von Mijat Maric regelwidrig gestoppt. Lukas Fähndrich zeigt Maric die Gelbe Karte, während einige Basler Akteure eine Rote Karte wegen Notbremse fordern. Es handelt sich um einen «Red Card Incident», einen Vorfall in Zusammenhang mit direktem Platzverweis. Und damit um eine von vier spielentscheidenden Situationen, bei denen der VAR das Schiedsrichtergespann im Stadion unterstützen darf. Replay Operator Hanutko schiebt per Handwisch verschiedene Wiederholungen der Szene auf den Bildschirm von Alain Bieri. Sein Urteil ist rasch gefällt: keine Rote Karte, Fähndrich hat korrekt entschieden.

 

ELFMETER?

In der 31. Minute kommt ein Lugano-Spieler im Strafraum des FC Basel zu Fall und fordert vehement einen Elfmeter. Lukas Fähndrich lässt weiterlaufen, derweil Alain Bieri zu Protokoll gibt: «Check Potential Penalty». Weil die Partie wenige Sekunden später wegen eines Foulspiels unterbrochen wird, funkt Bieri «Delay Restart» an Fähndrich. Auf eine vorhergehende Situation kann nur bis zum nächsten Unterbruch zurückgekommen werden. Weil weder die Fans im Stadion und vor dem TV noch die Spieler lange auf die Wiederaufnahme warten möchten, stehen Bieri und seine Crew nun unter Zeitdruck. Sie schauen sich die Strafraumszene aus verschiedenen Perspektiven an, während Schiedsrichter Fähndrich per Funk dem VAR mitteilt, warum er nicht auf den Punkt gezeigt hat. Er habe gesehen, wie zuerst der Lugano-Spieler am Gegner zieht, bevor er selbst zu Fall kam. Tatsächlich bestätigen die TV-Bilder diese Schilderung. Somit basierte die Entscheidung des Schiedsrichters auf einer korrekten Beobachtung und es liegt kein klarer, offensichtlicher Fehlentscheid vor. Kein Elfmeter ist die richtige Entscheidung, und somit der Funkspruch von Volketswil nach Basel: «Korrekte Entscheidung. Check  completed.» Wir erinnern uns an Hellmut Krugs Worte: Gute Resultate dank guter Kommunikation.

«Schiedsrichter Fähndrich teilt per Funk dem VAR mit, warum er nicht auf den Punkt gezeigt hat.»

 

DER VAR ALS NOTFALLSCHIRM

Rund zehn Situationen beurteilt Bieri heute als VAR, darunter die drei Tore (Endstand 2:1 für den FC Basel), mögliche Rote Karten und Penaltyszenen. In keinem Fall muss er korrigierend eingreifen — das Quartett in Basel hat alles unter Kontrolle. Bieri kennt die grosse Innovation im Schweizer Fussball von beiden Seiten, als VAR und als Schiedsrichter. «Ich war dem VAR gegenüber früher kritisch eingestellt. Ich ging davon aus, dass er die Diskussionen nur an einen anderen Ort verlagert. Seit wir jedoch damit arbeiten und verstehen, wie er richtig eingesetzt wird, möchte ich ihn vor allem auf dem Feld nicht mehr missen. Er ist ein Backup, eine Art Notfallschirm. Wenn man früher als Schiedsrichter etwas falsch sah, fuhr man sprichwörtlich geradeaus in die Wand. Jetzt haben wir für eine solche Situation einen Fallschirm.»

«Er ist ein guter VAR.»

Sein Kollege Lukas Fähndrich braucht diesen Notfallschirm heute nicht, und Alain Bieri ist zufrieden mit seiner Leistung als VAR. «Es war mehr los als in meinem ersten Spiel. Ich bin zufrieden, wie wir die Situationen gemeistert haben. Noch sitzen nicht alle Automatismen, aber mit jedem Spieltag werden wir besser.» So tönt es auch beim abschliessenden Debriefing nach dem Spiel, bei dem die Supervisoren alle VAR-Szenen rekapitulieren und kommentieren, um daraus Lehren für die Zukunft zu ziehen. Dabei findet Hellmut Krug lobende Worte: «Alain ist im Video Operation Room gleich wie auf dem Feld: ruhig, gelassen und erfahren — er ist ein guter VAR.»