Jahresbericht 2017 ⁄ 18

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Schwerpunkt «SFL Glory»

Das Puzzle zusammengesetzt Die Hintergründe des Projekts «SFL Glory»

Das Online-Archiv «SFL Glory» umfasst Statistiken zu allen Saisons, Matches, Klubs, Spielern und Trainern der höchsten Schweizer Fussballliga seit 1933. Wie es zu dieser Idee kam, wie es dem Team der SFL sowie des Fussballmagazins «Zwölf» gelang, die Daten zu sämtlichen Partien seit 1933 zu recherchieren, und warum das Projekt für die SFL von grosser Bedeutung ist.

Das Meisterteam 1933/34: Servette FC

DIE IDEE

Schon vor über zehn Jahren stellten die Macher des Fussballmagazins «Zwölf» fest, dass keine verlässliche Quelle für historische Daten zum Schweizer Klubfussball existierte (lesen Sie dazu das Interview mit Mämä Sykora). 2009 traten sie schliesslich mit dem Vorschlag an die Swiss Football League (SFL) heran, sämtliche gespielten Saisons und Partien aufzuarbeiten und in einer Datenbank zu sammeln. Bei den Liga- Verantwortlichen trafen sie auf Zustimmung und Unterstützung. Dennoch verblieb das Projekt für einige Zeit auf der Ersatzbank. «Wir mussten zuerst unseren eigenen Webauftritt modernisieren und intern die Bedeutung dieses Projekts vermitteln», erinnert sich Roger Müller, Chief Media & Marketing Officer bei der SFL. Er betont: «Das wichtigste Argument für ‹SFL Glory› war schliesslich, dass es uns hilft, der Schweizer Liga ein Gesicht zu geben. Dabei spielen Traditionen und Rivalitäten aus der Vergangenheit eine zentrale Rolle.»

«Glory ist ein Gegenentwurf zur vergänglichen und kurzlebigen Weltbühne des Fussballs.»
Roger Müller Chief Media & Marketing Officer

Rund fünf Jahre nach dem ersten Kontakt fiel schliesslich der Startschuss — unter anderem auch mit der Unterstützung von Raiffeisen — mit dem Ziel, die erste öffentlich zugängliche Plattform zur Geschichte des Schweizer Fussballs zu kreieren. Damit würde einerseits eine verlässliche Quelle für Informationen zu vergangenen Spielzeiten geschaffen; andererseits entspräche die Plattform dem Selbstverständnis der SFL, wie Philippe Guggisberg, Head of Communications, erklärt: «Ich empfinde es als eine sehr wichtige Aufgabe der Liga, die Geschichte und Vergangenheit zu bewahren und zu überliefern.»

Die Schweizer Fussballfans im Jahr 1943

INTERVIEW


Was ist «SFL Glory»?
Nachgefragt beiPhilippe Guggisberg,Head of Communications SFL


Was ist unter dem Online-Archiv «SFL Glory» zu verstehen?
«SFL Glory» umfasst die Daten aller seit 1933 ausgetragenen Meisterschaftsspiele in der höchsten Schweizer Fussballliga. Die Besucher können Statistiken unterteilt nach Saisons, Klubs, Spielern und Trainern abrufen. Also zum Beispiel, wer in einer bestimmten Saison oder für einen bestimmten Klub die meisten Tore erzielte, oder welcher Klub seit 1933 die meisten Siege feierte. Zudem lassen sich Geschichten erzählen und entdecken, die sich hinter den Daten verstecken.

An wen richtet sich «SFL Glory»?
An Fussballfans, die mehr über die Geschichte ihres Klubs erfahren wollen. An Studierende oder Journalisten bei der Recherche von früheren Spielzeiten und Rekorden. An alle, die sich für die Geschichte des Fussballs interessieren. Und nicht zuletzt soll «SFL Glory» dazu anregen, über die Geschichten rund um den Schweizer Fussball zu diskutieren.

Wie unterscheidet sich «SFL Glory» von anderen Quellen im Internet?
Sämtliche seit 1933 bestrittenen Meisterschaftsspiele der höchsten Liga wurden systematisch recherchiert, aufgearbeitet und elektronisch in einer Datenbank erfasst. Entsprechend ist «SFL Glory» die zuverlässigste Quelle, wenn es um historische Daten zum Schweizer Klubfussball geht.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts wird in der Schweiz Klubfussball betrieben. Warum reicht «SFL Glory» nur bis ins Jahr 1933 zurück?
Die Saison 1933/34 war die erste schweizweit ausgetragene Einheitsmeisterschaft, damals noch mit 16 Klubs, und somit der Anbeginn der Schweizer Meisterschaft, wie wir sie heute kennen.

«Die zuverlässigste Quelle für Daten zum Schweizer Klubfussball.»
Philippe Guggisberg Head of Communications SFL

DIE QUELLENSUCHE

Die SFL und «Zwölf» standen vor einer riesigen Herausforderung. Sämtliche Meisterschaftsspiele der höchsten Liga seit 1933 sollten erfasst und in einer Datenbank zusammengeführt werden. Für die «Neuzeit» konnten sie auf bestehendes Datenmaterial zurückgreifen. Seit 2008 erheben die SFL und die TV-Produktionsfirma NEP Switzerland elektronisch die Statistikwerte zu jedem Match (lesen Sie hier mehr dazu). Zudem verfügte der Schweizerische Fussballverband (SFV) in seiner Datenbank «NIS» über gesammelte Informationen zu den seit 2003 ausgetragenen Saisons.

Schwieriger gestaltete sich die Lage zu Daten aus den Jahren vor 2003 sowie im Speziellen aus den «historischen Zeiten» vor dem EDV-Zeitalter, als eine elektronische Erfassung der Tore und Aufstellungen technisch noch unmöglich war. Philippe Guggisberg kannte diese Herausforderung nur allzu gut. 2009 war er Initiant und Mitautor des Buchs «75 Jahre Swiss Football League — National-Liga SFV», das den Schweizer Klubfussball seit den 1890er-Jahren dokumentiert. «Eine systematische Datenerfassung seitens des Verbandes gab es damals nicht. Die National-Liga veröffentliche ab den 1950er-Jahren Jahresberichte, die aber nur die Schlussranglisten und eine Zusammenfassung enthielten, nicht jedoch Telegramme der einzelnen Spiele mit Ergebnissen, Zuschauerzahlen, Aufstellungen, Torschützen, usw. An die Überlieferung der Geschichte dachte damals niemand.»

Das Buch «75 Jahre Swiss Football League — National-Liga SFV» wurde im Jahr 2009 veröffentlicht und dokumentiert den Schweizer Klubfussball seit seinen Anfängen. ISBN: 978-3-9523556-0-2

Dennoch fand das Glory-Team einen Weg, um die Aufzeichnungen aus längst vergangenen Zeiten zu beschaffen (mehr dazu im Interview mit Mämä Sykora). Als beste Datengrundlage stellten sich die Matchtelegramme heraus, die bereits früh in der Geschichte in den Zeitungen publiziert wurden. Philippe Guggisberg: «Mit ihrer Arbeit wurden die Journalisten, ohne es damals zu «SFL GLORY» Schwerpunkt wissen, zu Archivaren. Welche anderen offiziellen Berichte es damals gab, lässt sich heute nur noch schemenhaft nachvollziehen. Es existierte wohl eine Art Matchblatt, das nach dem Spiel an die National-Liga übermittelt wurde. Welche Informationen darauf festgehalten wurden, ist aber unklar. Und diese Unterlagen liegen heute leider nicht mehr vor.»

In verschiedenen Zeitungsarchiven waren die Matchtelegramme bis ins Jahr 1933 zurück aufbewahrt. Ein Team des Fussballmagazins «Zwölf» fotografierte diese systematisch ab und erfasste sie anschliessend in einer Datenbank. Bei fehlenden oder widersprüchlichen Informationen griff das Recherche-Team auf Lokalzeitungen oder Jahrbücher zurück. So setzte sich das Puzzle der Schweizer Fussballgeschichte Schritt für Schritt zusammen.

Charles «Kiki» Antenen mit dem Pokal für den FC La Chaux-de-Fonds, Schweizer Meister 1963/64

Günter Netzer 1976 nach dem Wechsel von Real Madrid zum Grasshopper Club Zürich


Eine Ode an die
Matchtelegramme

«Spieltelegramme sind die am meisten verdichtete Form des Fussballs. Nichts findet darin Platz ausser die nackten Fakten. Die Namen, die Resultate, die Minuten. Die Spieltelegramme sind derart reduziert auf unverrückbare Wahrheiten, dass selbst Leser mit einer doppelverglasten Fanbrille darin nichts finden können, was ihrer Ansicht nach — und sei die noch so verschroben — nicht stimmig ist. Sie bieten schlicht keinerlei Angriffsfläche. Fussball ist ein Telegramm-Sport! Denn trotz der absoluten Verdichtung ist in einem Telegramm das ganze Spiel enthalten. Ähnlich wie bei einem Schwarzen Loch, das bei enormer Dichte aus unglaublich viel Materie besteht. Man muss nur genau lesen, und schon kann man aus einem Telegramm ein ganzes Spiel entfalten.»

Auszug aus dem Artikel «Klein-Klein-Spiel»
von Mämä Sykora, «Zwölf» #51

 

 

DIE DATENBANK

Für «SFL Glory» wurde in Zusammenarbeit mit der Firma «KOCH — Agentur für Kommunikation» eine Datenbank aufgebaut, die dazu geeignet ist, einerseits Daten fortlaufend zu speichern als auch in Echtzeit darzustellen. In die Glory-Datenbank flossen verschiedene Datensätze ein:

  • aus der Datenbank «NIS» des SFV mit Daten zu den Saisons von 2003 bis 2008;
  • aus der Datenbank der Produktionsfirma NEP Switzerland mit Daten zu den Saisons seit 2008;
  • die erhobenen Daten des Fussballmagazins «Zwölf» zu den Saisons von 1933 bis 2003 sowie Zusatzerhebungen zur SFV-Datenbank aus den Jahren 2003 bis 2008.

 

Die Daten wurden zusammengeführt und bei widersprüchlichen Angaben abgeglichen sowie verifiziert. Aktuelle Daten aus der laufenden Spielzeit werden automatisch aus der NEP-Datenbank, welche auf die Live-Ausgabe während eines Spiels ausgelegt ist, in die Glory-Datenbank gespiegelt.

 

DIE DARSTELLUNG

Die letzte Herausforderung für das Glory-Team bestand darin, die erfassten Daten für die Besucher des Archivs in geeigneter Form darzustellen. Dabei stellten sich zahlreiche auch unerwartete Herausforderungen. So liegen zu den Spielzeiten ab 2003 (Einführung der Super League) deutlich mehr Werte vor, während zu den ersten Jahren des Schweizer Klubfussballs nur die Aufstellungen, die Resultate, die Torschützen und die Zuschauerzahlen in Erfahrung gebracht werden konnten. Aus diesem Grund wurde beschlossen für Statistiken, die alle Spielzeiten seit 1933 umfassen, nur diejenigen Daten auszugeben, welche aus allen Saisons vorlagen. Für die Periode mit dem aussergewöhnlichen Modus der Auf-/Abstiegsrunde galt es zudem festzulegen, ob die Partien der zweiten Phase der Meisterschaft für alle Klubs in die Statistik fliessen sollten — oder nur für diejenigen aus der höchsten Liga. «Die Recherche der Daten war eine zeitliche Herausforderung. Die Darstellung der Daten jedoch eine knifflige Aufgabe», fasst Silvio Kern, Digital Platform Manager bei der SFL, zusammen.

 

Die im November 2018 veröffentlichte Glory-Version erlaubt es den Besuchern, die Statistiken thematisch nach Saisons, Klubs, Spielern und Trainern tabellarisch darzustellen und zu ordnen. Damit lässt sich beispielsweise eine ewige Spieler-Statistik erstellen, anhand welcher sich ablesen lässt, welcher Spieler seit 1933 in der höchsten Liga die meisten Tore erzielte (Jacques Fatton) oder am häufigsten im Einsatz stand (Philippe Perret). Die Daten können weiter nach einzelnen Saisons oder Klubs gefiltert werden. Dass Charles Amoah (FC St. Gallen) der erste Torschützenkönig des neuen Jahrtausends war oder dass dessen Teamkollege Jörg Stiel in jener Saison 1999/2000 am meisten Minuten für den Schweizer Meister aus der Ostschweiz auf dem Platz stand; all diese und viele Fakten mehr zu längst vergangenen und vergessenen Zeiten kehren ins Bewusstsein zurück.

Philippe Guggisberg kündigt an, dass dies erst den Anfang darstellt: «Glory umfasst unendlich viele Geschichten, die sich hinter den Zahlen entdecken lassen. In der Zukunft wird es zudem möglich sein, weitere Informationen abzurufen, zum Beispiel ein Profil zu jedem Spieler, der seit 1933 in der National-Liga oder Swiss Football League auflief, oder die einzelnen Telegramme sämtlicher Partien. Wir haben gerade erst mit dem Erzählen der Geschichte begonnen.»

Uli Stielike (r.) und Heinz Hermann an der Xamax-Meisterfeier 1987/88

FACTS ZU SFL GLORY

 

 

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