Jahresbericht 2017 ⁄ 18

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Schwerpunkt «SFL Glory»

Keine Zeit zum Jubeln Die Statistiker im Stadion

Bei jeder Partie der Raiffeisen Super League und der Brack.ch Challenge League sitzen im Auftrag der Swiss Football League zwei Personen auf der Tribüne, die auf ihrem Laptop sämtliche Statistiken rund um das Spiel erfassen. Dank ihnen wissen die Fussballfans im Internet und vor dem Fernseher, welches der beiden Teams länger im Ballbesitz war, wer wie oft auf das Tor geschossen oder mehr Fouls begangen hat. Die gesammelten Daten fliessen in die Datenbank des Online-Archivs «SFL Glory», wo sie in Zahlen für alle Ewigkeit die Geschichte der Partie abbilden. Ein Besuch bei Marco Rüede und Jürg-Peter Baumann, den GC-Statistikern im Letzigrund.

Marco Rüede (rechts) und Jürg-Peter Baumann, GC-Statistiker im Letzigrund

Die 36. Minute im Letzigrund Stadion zwischen dem Grasshopper Club und Neuchâtel Xamax. Die Neuenburger verlieren im Mittelfeld den Ball, die Zürcher schalten schnell um. Der Österreicher Raphael Holzhauser gelangt an den Ball und spielt gedankenschnell in die Tiefe auf seinen Landsmann Marco Djuricin. Dessen Schuss aufs Tor wird von Xamax-Verteidiger Marcis Ošs leicht abgefälscht und findet den Weg ins Tor. GC 1, Xamax 0.

Auf der Pressetribüne springt Marco Rüede hoch und klatscht in die Hände. Viel Zeit zum Jubeln bleibt dem GC-Fan nicht, denn zusammen mit seinem Kollegen Jürg-Peter Baumann hat er eine wichtige Aufgabe inne. Die beiden erfassen bei jedem Heimspiel ihres Lieblingsklubs sämtliche Statistikdaten, die im Matchcenter auf SFL.CH, in der App «SFL Official» und im TV-Programm auf Teleclub angezeigt werden. In Windeseile klickt sich Marco nach dem Torjubel eingeübt durch die Eingabemaske auf dem Bildschirm. Er registriert die Art des Tores («aus dem Spiel heraus»), den Torschützen (Nummer 9 — Marco Djuricin), die Position des Torschusses (Strafraum rechts), die Schussabgabe («Schuss mit rechtem Fuss»), die Stelle, wo der Ball ins Tor ging, sowie die Art des Assists («kurzer Steilpass») und den Assist-Geber (Nummer 26 — Raphael Holzhauser). Zirka zehn Sekunden nachdem das Tor gefallen ist, wird der Führungstreffer den Fussballfans im Internet angezeigt. Im Live-Zeitalter muss es schnell gehen.

 

 

ES BEGANN IN DER AUTOWASCHANLAGE

90 Minuten vor Spielbeginn treffen sich Marco und Jürg-Peter jeweils beim Stadion und richten sich auf der Pressetribüne ein. Eine Stunde vor Anpfiff holen sie im Medienraum die Aufstellungen der beiden Teams ab, die es kurz darauf ins Statistikprogramm einzupflegen gilt. Danach warten sie auf den Kickoff. Seit rund vier Jahren schaut das generationenübergreifende GC-Fanduo die Matches zusammen. Denn zu zweit bilden sie eines der insgesamt 20 Teams, je eines pro Klub in den beiden Schweizer Profi-Ligen, die für die SFL die Statistikdaten erfassen. Jürg-Peter Baumann wurde vor acht Jahren vom damaligen GC-Medienchef Eugen Desiderato beim Autowaschen darauf angesprochen, ob er nach seiner Pensionierung nicht die Statistikeraufgabe übernehmen möchte. Er sagte ja und fragte einen Freund an, den Vater von Marco Rüede, ob er ihm dabei assistiert. Dieser stimmte zu und brachte fortan auch seinen Sohn an die Spiele mit, der dem Papa über die Schulter blickte und kurz danach selbst zum Statistiker aufstieg. «So konnte ich gratis an die Matches. Und Statistiken haben mich schon immer interessiert — das passt hervorragend zusammen», erzählt Marco.

Heute teilen sich die Zwei die Aufgabe: Marco bedient das Statistikprogramm auf dem Laptop, Jürg- Peter erfasst den Ballbesitz. Mit einem tastaturähnlichen Eingabegerät klickt er auf «Home», wenn das Heimteam, und auf «Away», wenn das Auswärtsteam im Ballbesitz ist. Die leere Taste dazwischen klickt er, wenn der Ball bei Einwürfen, nach Fouls oder in Verletzungspausen nicht im Spiel ist. Daraus wird schliesslich der Ballbesitz ermittelt; 51 % wird GC am Ende des Spiels gegen Xamax verzeichnen. «Im Schnitt rund 30 Minuten der Spielzeit ist der Ball gar nicht im Spiel», erklärt Jürg-Peter. «Das überraschte mich anfänglich. Über die langen Nachspielzeiten sollte man sich also nicht wundern.»

 

Mit diesem Eingabegerät messen die Statistiker den Ballbesitz der beiden Teams.

Die Eingabemaske, mit der die Ereignisse erfasst werden.

DIE FARBE DER SCHUHE ALS UNTERSCHEIDUNGSMERKMAL

Als Statistik erfasst werden nebst dem Ballbesitz und den Toren auch jeder Torschuss, jeder Eckball, jedes Foul, gelbe und rote Karten, die Auswechslungen sowie jede Abseitsposition. Bis zum ersten Tor in der 36. Minute verbringen Marco und Jürg- Peter einen ruhigen Abend im Letzigrund. Es bleibt auch etwas Zeit, sich über das aktuelle Fussballgeschehen oder den Formstand der GC-Auswahl zu unterhalten. Weitaus hektischer gestaltet sich die zweite Halbzeit.

Das 2:0, wiederum durch Djuricin, sieht Marco Rüede nicht. Denn nur einige Sekunden zuvor war Xamax durch Kemal Ademi zu einer guten Torgelegenheit gekommen. Der Kopfball verpasste aber das Ziel. Während der schnelle GC-Gegenangriff läuft und Djuricin erneut trifft, ist Marco noch damit beschäftigt, die Xamax- Chance zu erfassen. Jürg-Peter hat derweil das Geschehen beobachtet und erzählt seinem Partner die Ereignisse nach. Zudem steht neben den zwei Statistikern ein TV-Bildschirm mit der Direktübertragung von Teleclub und der Wiederholung des Treffers. «Wir verlassen uns häufig auf die Wiederholung, vor allem wenn mehrere Szenen nacheinander folgen oder nicht ganz klar ist, welche Spieler involviert waren», erklärt Marco. «Wenn es auf dem Spielfeld hektisch zu und her geht, wird es auch für uns schwieriger. Zum Beispiel bei einem geblockten Torschuss, gefolgt von einem weiteren Torschuss oder einem Foul. Das sind dann mehrere Ereignisse nacheinander, die wir so rasch wie möglich erfassen müssen.» Dies geht weit über einen einzigen Mausklick hinaus, denn zu einem Torschuss zeichnen sie beispielsweise das Resultat (z.B. Pfosten oder neben das Tor), den Spieler, die Schussposition und die Art des Schusses (z.B. Kopfball oder mit rechtem Fuss) auf.

Die Aktionen des Gästeteams stellen dabei die grössere Herausforderung dar, weil die GC-Statistiker die gegnerischen Spieler nicht gleich gut kennen wie die «eigenen». Entsprechend öfter kommt die TV-Wiederholung zum Einsatz, in der die Rückennummer besser erkennbar ist als von blossem Auge. Und Marco hat noch einen Trick auf Lager: «Beim Gegner schaue ich auf die Farbe der Schuhe, um die Spieler zu unterscheiden. » Kann eine Szene trotz vier Augen und Replay nicht abschliessend geklärt werden, greift David Barras unter die Arme, der für die Qualitätskontrolle zuständige Digital Content Manager der SFL. Er verfolgt von zu Hause aus sämtliche Partien live und greift sofort ein, wenn die Statistiker etwas nicht sehen konnten.

Den «Hintermann» braucht es aber selten, denn die beiden Zürcher nehmen ihre Arbeit ernst und genau. «Sonst machen die Statistiken ja keinen Sinn. Und zudem werden wir für unseren Einsatz bezahlt», betont Marco. Kommt das Fussballvergnügen dabei zu kurz? «Nein», sagt Jürg- Peter, der seit über 60 Jahren GC-Fan ist und sich noch an Spiele mit Geni Meier bei YB erinnern kann. «Klar, man schaut den Match nicht so entspannt wie ein normaler Zuschauer, aber wir geniessen es trotzdem. Fussball ist und bleibt Fussball!»

 

 

EIN HEKTISCHES ENDE

Kurz vor Ende der Partie wird es noch einmal hektisch für die Statistiker: Xamaxien Gaëtan Karlen schiesst aufs Tor, GC-Goalie Lindner lässt den Ball nach vorne abprallen, gefolgt von einem Nachschuss von Thibault Corbaz. Lindner pariert in der Manier eines Hockey-Goalies, der Ball prallt wieder nach vorne ab. GC-Verteidiger Jean-Pierre Rhyner kommt an den Ball und wird dabei von Pietro Di Nardo unsanft von den Beinen geholt. Der Schiedsrichter zeigt dem Neuenburger für das ungestüme Einsteigen die gelbe Karte. Die Statistiker auf der Pressetribüne hauen in die Tasten: zwei Torschüsse, ein Foul und eine gelbe Karte gilt es zu erfassen. Die Routiniers lassen sich davon nicht aus der Ruhe bringen.

Kurz danach ist Schluss. GC siegt mit 3:1. Marco registriert den Schlusspfiff und Jürg-Peter klatscht in die Hände. Es ist ein guter Tag für die beiden GC-Statistiker, die ihre Siebensachen zusammenpacken und danach in Ruhe auf den Heimsieg anstossen können, während den Fans zu Hause und unterwegs die Statistiken zum Spiel präsentiert werden.

Die von Marco und Jürg-Peter erfassten Daten fliessen einerseits in die Datenbank der TV-Produktionsfirma NEP Switzerland, andererseits in die Datenbank des Online-Archivs «SFL Glory», wo sie in die Geschichte des Schweizer Klubfussballs eingehen und für alle Zeiten als Zeitzeugen des GC-Heimsiegs gegen Xamax verbleiben werden.

 

 

LIVE-STATISTIKEN

Im Matchcenter unter SFL.CH sowie in der App «SFL Official» versorgt die SFL die Fussballfans mit allen Informationen und Statistiken rund um sämtliche Spiele — jeweils in Echtzeit während der Partie sowie als Archiv nach Spielende. Die Datenerhebung geschieht durch zwei Personen im Stadion, die sämtliche wichtigen Spielszenen sowie den Ballbesitz unmittelbar in einem spezialisierten EDV-Programm erfassen. Sie werden von der Swiss Football League für ihren Einsatz entschädigt. Wir danken an dieser Stelle allen Statistikern für ihre zuverlässige Arbeit im Dienst der Fussballfans.

 

NEAR LIVE CLIPS

Der innovative Dienst «Near Live Clips» bereitet die wichtigsten Szenen nach kurzer Zeitverzögerung als Kurzvideo auf, so dass die Fans sich die Tore ihres Teams unterwegs oder als Wiederholung im Stadion auf dem Mobile ansehen können. Auf die Saison 2017/18 hin wurde dieser kostenlose Service auch für die Brack.ch Challenge League eingeführt.